Zustehen soll die Grundrente all jenen, die mindestens 35 Jahre mit Beitragszahlung, Kindererziehung oder Pflegetätigkeit aufweisen. Diese "Respektrente" soll drei bis vier Millionen Menschen mehr Geld aus einer Sozialversicherung geben. Für Personen, die über Jahrzehnte hinweg nur den Mindestlohn verdient haben (derzeit 9,19 Euro je Stunde), will er ein Plus von 87 Prozent erreichen. Die Rente dieser Personen soll von 514 auf 961 Euro im Monat steigen (bei diesem Wert ist der Beitrag zur Kranken- und Pflegekasse noch nicht abgezogen).
Die Grundrente soll ohne Bedürftigkeitsprüfung ermittelt werden. Er rechne mit jährlichen Kosten in Höhe eines mittleren einstelligen Milliardenbetrags, sagte Heil. „Mein Ziel ist es, dass wir das aus Steuermitteln finanzieren.“ Es sei eine Frage der Gerechtigkeit, dass ein Rentner bessergestellt sei „als derjenige, der nur kurzzeitig oder gar keine Beiträge geleistet hat“. Als Beispiel nannte Heil eine Friseurin, die 40 Jahre lang auf Mindestlohnbasis gearbeitet hat. Dafür könne sie derzeit mit einer Rente von nur 514 Euro rechnen. „Das finde ich respektlos und unwürdig“, sagte Heil der Bild am Sonntag. Durch sein Modell der Grundrente könnte die Friseurin künftig mit 961 Euro Rente im Monat rechnen.
Die Union hat sich bislang nur auf die im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform verständigt. Diese sieht eine Grundrente vor, die zehn Prozent über der Grundsicherung liegt. Darauf verwies nun auch Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe: "Die Union steht zu dieser Verabredung im Koalitionsvertrag." Die Vorschläge von Heil gingen jedoch weit darüber hinaus. CDU-Sozialpolitiker Kai Whittaker nannte es bei Twitter "völlig unseriös, den Menschen mehr als 400 Euro zusätzlich im Monat zu versprechen". Heil presche "mal wieder ohne Absprache vor". Der Arbeitnehmerflügel der Partei jedoch sieht die Pläne als "vernünftige Diskussionsgrundlage", so CDA-Vorsitzende Karl Josef-Laumann.
FDP-Chef Christian Lindner hat Arbeitsminister Hubertus Heil indes davor gewarnt, mit seinem Konzept die Rente "zu einer Art zweiten Sozialhilfe" umzubauen. "Hubertus Heil will die Rentenversicherung, wie wir sie kennen, abschaffen", sagte Lindner der Düsseldorfer Rheinischen Post. Das Modell des Arbeitsministers koste nicht nur die Allgemeinheit Milliarden, damit werde auch das Leistungsprinzip ausgehebelt, erklärte der FDP-Chef.
Teuer, nicht treffsicher und ungerecht?
Dr. Jochen Pimpertz vom Institut der deutschen Wirtschaft hat die Vorschläge genauer angeschaut und findet sie nicht immer bedarfsgerecht.
- "Wer 35 Jahre nur 40 Prozent des durchschnittlichen beitragspflichtigen Entgelts verdient hat, beispielsweise aufgrund von Teilzeit oder niedrigen Stundenlöhnen, erhält aktuell in Westdeutschland rund 448 Euro Rente pro Monat. Nach den Plänen von Minister Heil könnte diese Rente auf fast 900 Euro aufgestockt werden. Damit gäbe es genauso viel wie für jemanden, der aufgrund eines höheren Arbeitseinsatzes oder höheren Stundenverdienstes in den vergangenen 35 Jahren 80 Prozent des Durchschnittsentgelts verdient hat. Ist das leistungsgerecht?
- Das Konzept des Bundesarbeitsministers prüft ganz bewusst nicht, ob jemand bedürftig ist oder nicht. Damit erhält diese Aufstockung sowohl der Single-Rentner, der allein von der Mini-Rente leben muss, als auch der verheiratete Rentner, der über die Altersversorgung seines Partners abgesichert ist und womöglich noch über gemeinsames Vermögen verfügt. Ist das bedarfsgerecht?
- Wer lediglich 30 Jahre eingezahlt hat, geht leer aus. Rund 384 Euro pro Monat sind in diesem Fall zu wenig, um ohne steuerfinanzierte Hilfen über die Runden zu kommen. Ist das bedarfsgerecht?
- Wer vermögend ist, muss seine Rücklagen abschmelzen, ehe die bedürftigkeitsgeprüfte Grundsicherung fließt. Das Vermögen eines Renten-Aufstockers würde dagegen allein aufgrund seiner längeren Beitragszeit geschont. Ist das leistungsgerecht?"